Countdown für die Fristen des EU AI Acts

Lesedauer 8 Minuten

Der Countdown für die Fristen des EU AI Acts tickt. Die EU-Staaten haben die finalen Regeln des EU AI Acts veröffentlicht. Am 2. August 2024 beginnen sowohl die Regel- als auch Ausnahmefristen zu laufen. Sie betreffen nicht nur Anbieter oder Betreiber, sondern auch Mitgliedsstaaten und Behörden. Nachfolgend eine Übersicht über das „sechs plus 2“ Fristenmodell und die dazugehörigen Normen.

  • Die unterschiedlichen Fristen des EU AI Acts beginnen 20 Tage nach dessen Veröffentlichung zu laufen.
  • Der Zeitpunkt des Inkrafttretens ist der 2. August 2024. Zu differenzieren sind verschiedene Fristen auf Basis eines Regel-Ausnahme-Prinzips.
  • Insgesamt ergibt sich ein Modell von „sechs plus 2“ Fristen, die in diesem Beitrag vorgestellt werden.
  • Für alle Arten von Akteuren u.a. für Anbieter, Betreiber, Mitgliedsstatten und Behörden.
  • Am Ende erfolgt ein kurzer Wissenstest.

Normen zu diesem Beitrag u.a.:

  • Artikel 48 EU AI Act
  • Artikel 55 (2) EU AI Act
  • Artikel 56 (9) EU AI Act
  • Artikel 57 EU AI Act
  • Artikel 70 (2) EU AI Act
  • Artikel 73 (8) EU AI Act
  • Artikel 99 (3) EU AI Act
  • Artikel 101 EU AI Act
  • Artikel 111 EU AI Act
  • Artikel 112 EU AI Act
  • Artikel 113 EU AI Act

Update: Inkrafttreten des EU AI Acts

Die Veröffentlichung der finalen Version erfolgte am 12. Juli 2024 im Amtblatt der EU. Man findet sie hier. Gemäß Artikel 113 EU AI Act tritt die KI-Verordnung 20 Tage nach Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft. Dies ist der 2. August 2024. Von da an beginnen die Fristen zu laufen.

Besonders wichtig sind folgende sechs Fristen für:

  1. allgemeine und übergreifende Inhalte (6 & 24 Monate) – Deadline sind damit der 2. Februar 2025 und der 2. August 2026
  2. verbotene KI-Systeme (6 Monate) – Deadline ist damit der 2. Februar 2025
  3. Hochrisiko KI-Systeme (36 Monate) – Deadline ist damit der 2. August 2027
  4. KI-Modelle mit allgemeinem Verwendungszweck (9 & 12 Monate) – Deadlines sind damit der 2. Mai 2025 und der 2. August 2025
  5. Umsetzung hoheitlicher Aufgaben (9-24 Monate) – Deadlines sind damit der 2. May 2025 bis 2. August 2026
  6. Sanktionen (12 & 24 Monate) – Deadline sind damit der 2. August 2025 und der 2. August 2026

Schnellübersicht der wichtigsten Fristen

Schaut man genauer hin, ergibt sich ein differenzierteres Modell von „sechs plus 2“-Fristen des EU AI Acts.

Das „sechs plus 2“ Fristenmodell des EU AI Acts

Wie man gut erkennen kann, gibt es über die sechs Basisfristen hinaus noch zwei weitere relevante Fristvarianten. Sie sind gesondert zu beachten:

  • Die Fristen für den Bestandsschutz nach Artikel 111 EU AI Act
  • Die Fristen für die Neubewertung der KI-Verordnung nach Artikel 112 EU AI Act

Die nachfolgenden Fristen sind nicht nur in Hinblick auf Ihre Dauer von Bedeutung. Sie richten sich auch an unterschiedliche Akteure: Es gibt Fristen, die für alle Akteure gelten. Dann gibt es Fristen, die nur Anbieter und Betreiber betreffen. Zudem gibt es Fristen, welche für diverse Akteure von Bedeutung sind (z.B. auch für Hersteller und Importeure). Schließlich gibt es noch Fristen für Mitgliedsstaaten sowie für nationale oder EU-Behörden.

1. Die sechs Kernfristen

Zunächst werden die sechs Kernfristen des EU AI Acts näher vorgestellt. Im Anschluss die beiden Sonderfristen.

1.1 Allgemeine Fristen: sechs und 24 Monate

Sie sind in Artikel 113 S.1 EU AI Act geregelt. Danach erhält die KI-Verordnung 24 Monate nach dem Datum des Inkrafttretens allgemeine Gültigkeit. Als Verordnung erfordert sie keine weitere Umsetzung durch nationale Gesetze.

Artikel 113 S.3 a) EU AI Act bestimmt darüber hinaus, dass die allgemeinen Bestimmungen von Kapitel I (Artikel 1-4) bereits sechs Monate nach Inkrafttreten Gültigkeit besitzen. Das ist wichtig, da Kapitel I die wichtigsten Grundlagen wie den Anwendungsbereich und Definitionen betrifft:

  • Kapitel I enthält in Artikel 3 EU AI Act nicht nur eine Vielzahl von Definitionen, sondern mit Artikel 1 EU AI Act auch den Gegenstand sowie die Ziele.
  • Hinzu kommt mit Artikel 2 EU AI Act der Anwendungsbereich des EU AI Acts. Mit der 6-Monatsfrist ist automatisch die rechtliche Grundlage für alle anderen Arten verkürzter Fristen gegeben!

Eine diesbezüglich besondere Stellung hat die Vermittlung von KI-Kompetenz i.S.v. Artikel 4 EU AI Act, denn auch sie ist Teil von Kapitel I. Doch diesbezüglich ist ohnehin fraglich, welche Konsequenzen ein diesbezüglicher Verstoß hat, der nicht von einer Verletzung von Vorschriften anderer Kapitel begründet wird, z.B. der Schulungspflichten i.S.v. Artikel 9 (5) c) EU AI Act bei Hochrisiko-KI-Systemen. Ein Verstoß ausschließlich gegen Artikel 4 EU AI Act kann auch nicht nach Artikel 99 EU AI Act sanktioniert werden. Insofern erscheint die diesbezügliche Frist eher deklaratorisch.

Merke: Ab August 2026 ist der Großteil des EU AI Acts gültig! Die Grundlagen bereits nach sechs Monaten.

Die vielleicht wichtigste Anwendung der 24-Monatsfrist sind die Chatbots. Als Anwendung der mittleren Risiko-Gruppe gibt es für sie keine Sonderfristen. Dazu auch dieser Artikel zum Kärcher KI-Chatbot.

1.2 Verbotene KI-Systeme

Artikel 113 S.1 EU AI Act bestimmt für verbotene KI-Systeme i.S.v. Kapitel II, Artikel 5 EU AI Act eine Verkürzung auf sechs Monate.

  • Adressat des Verbots sind nicht nur die (nachgelagerten) Anbieter der verbotenen KI-Systeme.
  • Auch die Verwendung und das Inverkehrbringen solcher KI-Systeme ist gemäß Artikel 5 EU AI Act explizit verboten.
  • Somit sind mehr oder weniger alle potenziellen Akteure i.S.v. Artikel 3 Nr. 8, 9 EU AI Act von dieser Frist betroffen, also die Produkthersteller, die Betreiber, die Nutzer, die Bevollmächtigten, die Einführer und/oder die Händler.

Auch wenn das Verbot bereits nach sechs Monaten gilt:

  • Die empflindlichen Sanktionen können erst 12 Monate nach Inkrafttreten erfolgen.
  • Dies ergibt sich aus Artikel 113 S.3 b) EU AI Act, der wiederum auf Kapitel XII verweist.
  • Dort regelt Artikel 99 (3) EU AI Act die Sanktionen, siehe dazu auch weiter unten.

Merke: Für verbotene KI-Systeme gilt die sechs-Monatsfrist. Sanktionen drohen aber erst nach 12 Monaten!

Nach der hier vertretenen Auffassung ist die zeitliche Differenz zwischen Verbot und Sanktion vor allem im Hinblick auf die spätere Höhe der Sanktion von Bedeutung: Je länger nach den sechs Monaten ein verbotenes KI-System verwendet wird, desto höher kann und sollte nach 12 Monaten auch die Sanktion ausfallen. Ein Akteur, der nach sechs Monaten ein verbotenes KI-System fahrlässig weiter betreibt, ist sicherlich etwas anders zu sanktionieren wie ein Akteur, der dies vorsätzlich über ein Jahr hinweg tut. Der Zeitpuffer kommt dem entgegen.

1.3 Hochrisiko-KI-Systeme: 36 Monate

Artikel 113 S.3 c) EU AI Act bestimmt für Hochrisiko-KI-Systeme i.S.v. Kapitel III, Artikel 6 ff EU AI Act die Verlängerung auf 36 Monate.

  • Adressat des Verbots sind nicht nur die (nachgelagerten) Anbieter von Hochrisiko-KI-Systemen i.S.v. Artikel 3 Nr. 3, 68 EU AI Act.
  • Besonders wichtig ist, dass damit auch die Pflichten für Betreiber erst nach drei Jahren greifen.
  • Insgesamt sind aber ebenfalls nahezu alle potenziellen Akteure i.S.v. Artikel 3 Nr. 8, 9 EU AI Act von dieser Frist betroffen, also die Produkthersteller, die Betreiber, die Nutzer, die Bevollmächtigten, die Einführer und/oder die Händler.

Merke: Für Hochrisiko-KI-Systeme gilt die 36-Monatsfrist!

Wichtig ist, dass nach den 36 Monaten auch eine CE-Kennzeichnung i.S.v. Artikel 48 EU AI Act vorliegen muss. Da dieser Prozess einige Zeit in Anspruch nehmen kann, sollte frühzeitig mit der Umsetzung aller Vorgaben begonnen werden. Und: Bei Hochrisiko-KI ist insbesondere die Ausnahme des Bestandsschutzes zu beachten. Dazu mehr weiter unten.

1.4 KI-Modelle: 12 & 9 Monate

Dies sind der 2. Mai 2025 bis zum 2. August 2025!

Für KI-Modelle mit allgemeinem Verwendungszweck gilt generell eine 12-Monatsfrist bis zum 2. August 2025. Diese ergibt sich aus Artikel 113 S.3 b) EU AI Act i.V.m Kapitel V.

  • Die Pflichten betreffen primär die (nachgelagerten) Anbieter
  • Aber auch Bevollmächtigte müssen sie kennen.

Eine besondere Frist gilt im Hinblick auf das Erstellen von Praxisleitfäden Verhaltenskodizes, siehe Artikel 56 (9) EU AI Act. Diese beträgt nur neun Monate bis zum 2. Mai 2025 – das ist wichtig für KI-Modelle mit allgemeinem Verwendungszweck und systemischen Risiken, siehe Artikel 55 (2) EU AI Act.

Merke: Für KI-Modelle ist die 12 Monatsfrist die Regel! Aber: Praxisleitfäden für Verhaltenskodizes müssen in 9 Monaten stehen.

Wie hier zu schön zu sehen ist, gibt es immer wieder Regel-Ausnahmekonstellationen. Es reicht beim EU AI Act oft nicht, nur die Regelfrist zu kennen.

1.5 Hoheitliche Umsetzung: 9-24 Monate

Dies ist der Zeitraum vom 2. August 2025 bis zum 2. August 2026!

Die Fristen für Hoheitsträger sind auch für Anbieter von KI-Systemen durchaus von Relevanz. Vor allem deshalb, weil sie an vielen Stellen die operative Umsetzbarkeit von Vorgaben und die Klarheit bei unbestimmten Rechtsbegriffen betreffen:

  • Die vielleicht wichtigste administrative Frist ist die unter Punkt 1.4 erwähnte Pflicht des European AI Office, die in Artikel 56 (9) EU AI Act vorgeschriebenen Praxisleitfäden für GPAI-Modelle in neun Monaten, also bis spätesten 2. Mai 2025 zu entwickeln.
  • Zur Erstellung von Leitlinien für Hochrisiko KI gilt gemäß Artikel 6 (5) EU AI Act eine Frist von 18 Monaten – folglich zum bis zum 2. Februar 2026. In Anbetracht vieler Unklarheiten rund um die Frage, wann ein Hochrisiko gegeben ist, eine enorm wichtige Frist.
  • Relevant ist auch die Richtlinie zur Meldung schwerer Vorfälle i.S.v. Artikel 73 (8) EU AI Act. Diese Leitlinie, die innerhalb von 12 Monaten bis zum 2. August 2025 umzusetzen ist, betrifft eigentlich nur KI-Systeme, besitzt aber mutmaßlich auch für KI-Modelle Relevanz, siehe Artikel 55 (1) c) EU AI Act.
  • Nicht zuletzt ist auch die Möglichkeit, Behörden zu kontaktieren eine zentrale Herausforderung bei der Umsetzung von Vorgaben. Ermöglicht werden muss sie gemäß Artikel 70 (2) EU AI Act ebenfalls in 12 Monaten – folglich zum bis zum 2. August 2025. Das gilt allerdings vornehmlich für die elektronischen Kontaktwege.
  • Last but not least muss die gesamte Governance-Struktur auf Seiten der Behörden in 12 Monaten so aufgebaut sein, dass sie halbwegs funktioniert – folglich bis zum 2. August 2025. Das ergibt sich aus Artikel 113 S.3 b) EU AI Act i.V.m. Kapitel VII.

Über die genannten Fristen für die Marktaufsichtsbehörden hinaus haben auch Mitgliedsstaaten eine Deadline zu beachten – und zwar für KI-Reallabore i.S.v. Artikel 57 EU AI Act. Der diesbezügliche Absatz 1 räumt 24 Monate Zeit dafür ein – bis zum 2. August 2026.

Merke: Auch Behörden und Mitgliedsstaaten müssen Fristen beachten!

Nahezu alle der zuvor aufgeführten Fristen sollten nicht nur für Behörden und staatliche Organisatoren von praktischer Relevanz sein. Von der Umsetzung dieser Aufgaben hängt viel für die Akteure rund um KI-Systeme und -Modelle ab. Spannend wird es, falls die Behörden ihre eigenen Pflichten nicht rechtzeitig erfüllen, z.B. bei den Leitlinien für Hochrisiko-KI. Wer auf diese Leitlinien angewiesen sein sollte, wird sich durchaus schwer tun, die für ihn geltenden Fristen umzusetzen. So entstehen wechselseitige Abhängigkeiten!

1.6 Sanktionen

Hier gilt es generell die Vorschrift des Artikel 113 S.3 b) EU AI Act, aber diesmal in Kombination mit Kapitel XII zu beachten. Schon ergibt sich eine Frist für Sanktionen von 12 Monaten bis zum 2. August 2025. Allerdings auch hier keine Regel ohne Ausnahme: Artikel 101 EU AI Act, der für die Pflichten bei KI-Modellen zu beachten ist, wurde ausgenommen. Somit gilt für ihn als „Ausnahme der Ausnahme“ die allgemeine 24 Monatsfrist bis zum 2. August 2026.

Merke: Bei Sanktionen sind 12 Monate die Regel – aber es gibt auch die 24-Monatsfrist im Hinblick auf KI-Modelle.

Wie weiter oben schon erwähnt, können auch für verbotene KI-Systeme erst nach 12 Monaten (also am 2. August 2025) Sanktionen verhängt werden, obwohl diese bereits nach sechs Monaten nicht mehr betrieben werden dürfen (also am 2. Februar 2025).

2. Zwei Sonderfristen

Zum Schluss noch ein Blick auf die beiden Sonderfristen für den Bestandsschutz und die Neubewertung des EU AI Acts:

  1. Die Fristen im Hinblick auf den Bestandsschutz nach Artikel 111 EU AI Act
  2. Die Fristen für die Neubewertung des EU AI Acts nach Artikel 112 EU AI Act

An dieser Stelle gilt es vor allem, überhaupt zu wissen, dass es diese beiden zusätzlichen Fristen gibt. Insbesondere die Frist des Bestandsschutzes ist von hoher praktischer Bedeutung für Anbieter von Hochrisiko-KI-Systemen. Es ist aber nicht nur eine Frage der Frist, ob diese Vorschrift greift. Daher wird das Thema in Kürze in einem separaten Artikel beleuchtet. Im Hinblick auf die Neubewertung gilt ähnliches: Die Fristen machen vor allem deutlich, dass der EU AI Act dynamischen Änderungszyklen unterliegt. Diese gilt es in jedem Fall zu beachten – wenn man nicht von Änderungen überrascht werden will.


Zum Schluss noch ein kurzer Test zu den Fristen des EU AI Acts:

Quiz zu den "sechs plus 2" Fristen des EU AI Acts

In diesem Quiz haben wir drei Fragen zu den "sechs plus 2" Fristen des EU AI Acts für Dich zusammengestellt.

1 / 7

Wann beginnen die Fristen des EU AI Acts zu laufen?

2 / 7

Welche Norm regelt die meisten grundlegenden Fristen?

3 / 7

Wann treten die allgemeinen Fristen des EU AI Acts in Kraft (mehrere Antworten möglich)?

4 / 7

Ab wann können Sanktionen gegen verbotene KI-Systeme getätigt werden?

5 / 7

Wie lange ist die Frist für die Umsetzung von Verhaltenskodizes für bestimmte KI-Modelle?

6 / 7

Bis wann müssen alle Mitgliedsstaaten mindestens ein KI-Reallabor umgesetzt haben.

7 / 7

Gibt es auch Fristen für die Umsetzung von Leitlinien durch Behörden (mehrere Antworten möglich)?

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Links zu den in diesem Artikel erwähnten Normen des EU AI Acts:

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